Wer an die Olympischen Spiele denkt, assoziiert damit wohl kaum Breakdance. 2024 könnten in der Tanzdisziplin allerdings erste Olympiamedaillen vergeben werden. Möglich macht dies die Agenda 2020.
Im Dezember 2014 hat das Internationale Olympische Comité die sogenannte Agenda 2020, einen 40-Punkte-Plan, verabschiedet. Ein Kernelement: Die Weichenstellung für ein urbaneres und jugendlicheres Sportprogramm. Diese Maßnahme beinhaltet auch die Möglichkeit für den jeweiligen Ausrichter, selbst Sportarten und Disziplinen in einem gewissen Rahmen mitzubestimmen. Bei den Spielen 2020 in Tokio setzen die Organisatoren etwa auf Base- bzw. Softball, Karate, Klettern, Skateboard und Surfen. Der Nachteil daran: Die Kontinuität leidet erheblich darunter. Denkbar ist demnach, dass die Karate-Medaillengewinner der Tokio-Spiele die einzigen für längere Zeit bleiben werden. Denn für 2024 – die Fünf Ringe werden dann in Paris Halt machen – drängt sich schon die nächste Sportart ins Rampenlicht. Breakdance wird als ernstzunehmender Kandidat für eine Aufnahme ins Programm der Sommerspiele in fünf Jahren gehandelt.
Auch wenn die endgültige Entscheidung über die Aufnahme der Tanzsportart erst Ende 2020 fallen wird, hat das IOC den Veranstaltern und der Breakdance-Szene bereits positive Signale vermittelt. Ganz im Sinne der Urbanisierung. Künstlerische Ausdrucksformen – und dazu gehört Breakdance allemal – sind in der Olympia-Bewegung nichts Neues. Von 1912 bis 1948 wurden Medaillen in Kunstbewerben vergeben. Sogar Baron Pierre de Coubertin, der Gründer der Spiele der Neuzeit, ist Olympiasieger in einer solchen Disziplin. Er gewann 1912 die Literatur-Goldmedaille für das Gedicht „Ode an den Sport“. „Wo die Menschheit lächelte in Jugendlust“, heißt es darin unter anderem. Eben diese Jugendlust ist den gegenwärtigen Entwicklungen ganz und gar nicht fremd.
IOC-Präsident Thomas Bach bejubelt Breakdance als Sportart, die „sportliche Ästhetik perfekt mit persönlichem Ausdruck kombiniert.“ Selbst in seiner Zeit als aktiver Athlet – der Deutsche ist Fecht-Olympiasieger – sei er nie so nahe an diese Art von Beweglichkeit und körperliche Flexibilität herangekommen. Stellt sich nur die Frage, wie in einem Breakdance-Wettkampf die oder der Beste ermittelt werden kann. Einen Probegalopp hat es dafür bei den Jugendspielen 2018 in Buenos Aires gegeben (siehe Video). Dort erlebten die jungen Tänzer eine beachtliche Premiere im Zeichen der Ringe – mitsamt an das 21. Jahrhundert angepasstem Qualifikationsmodus. In der ersten, digitalen Phase mussten Teilnahmeinteressierte ein kurzes Video einer Performance einreichen. Die besten fünf B-Girls und B-Boys jedes Landes wurden danach zu einer kontinentalen Qualifikation eingeladen. Dort wurden wiederum die Tickets für die Jugend-Weltmeisterschaften vergeben, wo dann die endgültige Entscheidung über die Vergabe der Startplätze für Buenos Aires erfolgt ist. Aus Österreich schaffte B-Girl Ella über diesen Weg die Qualifikation.
Lukas Hinder, der Präsident des Welttanzsportverbandes ist auf den innovativen Qualifikationsprozess durchaus stolz. „Wir müssen die Tools der Kids von heute nutzen, um sie aus dem Haus zu locken. Diesbezüglich ist ein sehr hohes Potential vorhanden.“ Nicht auszuschließen, dass auch 2024 ein ähnlicher Pfad zu beschreiten ist, um die Olympia-Fahrkarte zu lösen. Berührungsängste mit einem breiteren Publikum scheinen die Paris-Organisatoren ohnehin nicht zu haben. Sie denken auch laut darüber nach, Hobbyläufer am Olympia-Marathon teilnehmen zu lassen. Die Zustimmung in der Bevölkerung dafür sei – ebenso wie für eine Verjüngung des Sportprogrammes – hoch. Damit geht das französische Volk d’accord mit de Coubertin, der aus der mit dem Sport verbundenen Jugendlust zumindest in seinen poetischen Fantasien keinen Hehl machte.
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