Flo Orley erfüllte sich seine größten Kindheitsträume. Er sprang in Alaska mit dem Snowboard aus einem Hubschrauber, war der Snowboard-Stuntman für Vin Diesel im ersten Triple X. Derzeit segelt er mit seiner Familie durch das karibische Meer. Ein Leben gewidmet der Freiheit und dem Flow.
Du erfüllst dir mit deinem Abenteuer, der Weltumsegelung, einen großen Traum. Wie kam es dazu?
Ich hatte mal vor vielen Jahren ein kleines Buch, in dem ich ein paar meiner Träume festgehalten habe. Vor ziemlich genau 17 Jahren wurde da vermerkt, dass ich mit einem Segelboot und meiner Familie um die Welt segeln werde. Damals hatte ich weder das eine, noch das andere (lacht). Aber der Traum war schon da, und den darf ich mir jetzt erfüllen. Unabhängig davon hoffe ich, dass auch danach wieder neue Träume dazukommen.
Darüber machst du dir jetzt schon Gedanken?
Ich versuche mir nicht zu viele zu machen. Jetzt bin ich 43 und komme mit fast 50 wieder zurück. Für die 10-20 Jahre danach werde ich mir jobtechnisch noch etwas einfallen lassen müssen. Da darfst du gar nicht zu viel drüber nachdenken.
Waren diese Träume damals realistisch für dich?
Es war mehr ein Wunsch, bei dem ich aber wusste, dass ich bereit bin, die nötigen Opfer zu bringen. Du richtest dein ganzes Verhalten darauf aus, musst jedes Jahr unzählige Entscheidungen treffen, und dabei geistern diese Träume im Hinterkopf und Unterbewusstsein mit. Dadurch triffst du die Entscheidungen vermutlich unter dem Aspekt, dass du deinem Traum näher kommst.
Warum stehst du so auf das Extreme?
Wenn man ein richtig intensives Erlebnis hat, nimmt man das ganz anders wahr und wenn du dann in extremen Situationen noch dazu in einen Flow kommst, kannst du dich danach oft gar nicht mehr an gewisse Passagen erinnern. Bei den perfekten Lines wachst du quasi nach dem letzten Sprung auf, schaust zurück und fragst dich nur, ob das wirklich deine Spur im Schnee ist. Vielleicht fehlen einem da die Kapazitäten zum Abspeichern, weil man mit allen Sinnen nur auf die Bewältigung der Aufgabe fokussiert ist. Beim Snowboarden ist es ab und zu so perfekt gelaufen, dass man sich dabei fühlt, als ob man sich selbst aus der Vogelperspektive zusieht. Das passiert nicht oft.
Waren diese Situationen dann besonders extrem oder war einfach dein technisches Vermögen zu dem Zeitpunkt am Peak?
Per Definition ist die wichtigste Voraussetzung für das Flowerlebenis ein perfekter Match aus Schwierigkeitsgrad der Aufgabe und Können des Athleten. Nicht zu schwierig, nicht zu leicht, und eine perfekte Vorbereitung. Da muss schon Tage davor die Energie stimmen, du musst mental ready sein – und dann steht und fällt es mit der Tagesverfassung.
Diesen Flow habe ich öfter erlebt, als es die World Tour noch nicht gegeben hat und wir maximal drei Wettkämpfe im Jahr hatten. Da hattest du wochenlang Zeit, dich hinzutrimmen, und dann kam dieser Zustand meistens auch zur richtigen Zeit. Deswegen faszinieren mich beispielsweise Welt Cup Skifahrer wie ein Hirscher, die jede Saison zig Rennen fahren.
Was für eine Rolle spielt die finanzielle Komponente in deinem Leben ?
Ich bin total happy, dass ich so viel Geld verdient habe und verdiene, dass ich die letzten Jahre nie auf den nächsten Monatsersten schauen musste, und das, obwohl ich – so wie die meisten Sportler – ein sehr unregelmäßiges Einkommen habe. Zwischen März und Juni schreibst du ordentlich Rechnungen und den Rest des Jahres keine. Hat mich nie gestört, weil ich auch wusste, dass es sich ausgeht. So viel Geld zu haben, wie ich verdient habe, ohne wirklich reich zu sein, war für mich der totale Luxus. Ich konnte mir vom Sport mei- ne Wohnung kaufen und habe jetzt genug Geld, um mir das Segelboot für unsere Reise zu leisten. Nicht über das Geld nachdenken zu müssen ist wirklich ein Privileg. Ich mach mir mehr Gedanken, welches Abenteuer ich damit angehe bzw. wie ich es
sinnvoll einsetze.
Also dass Geld keine Rolle spielt wäre gelogen?
Definitiv. Ich habe zwischen 18 und 25 auf meinen Surftrips gelernt, dass ich eigentlich nichts brauche bzw. mit sehr wenig auskomme, und habe in diversen Ländern auch eine extreme Armut kennengelernt. Trotzdem bin ich in Österreich aufgewachsen und hunderte Male mit einem Helikopter geflogen; von meinen Sponsoren habe ich große Budgets bekommen, um Filme zu produzieren. Auch meine kleinen Monster (Anm. der Redaktion: Kinder) kosten Geld. Aus diesem Grund spielt es sicher eine Rolle und es ist ein Riesen Luxus mehr zu haben, als man zum Leben bräuchte.
Deswegen freue ich mich aber auch schon so auf unsere Segelreise.
Allein durch den Platzmangel nehmen wir nur einen Bruchteil der materiellen Gegenstände mit, die hier für uns selbstverständlich sind. Das Leben wird definitiv einfacher sein. Wir produzieren unseren eigenen Strom und unser eigenes Wasser, und die Ressourcen sind limitiert. Von der letzten Reise weiß ich, wie gut das tun kann. Dann siehst du eben mal längere Zeit keinen Supermarkt; und wenn du auf eine kleine Insel kommst, auf der Geld keine so große Bedeutung hat, dann tauschst du halt Benzin und Werkzeug gegen Kokosnüsse und Reis; und alle sind happy. Das ist faszinierend.
Wir sehr warst du als Sportler Unternehmer?
Vollgas – Ich AG (lacht). Du musst unternehmerisch denken. In manchen Sportarten bist du vielleicht in einer finanziellen Liga, in der du einen Manager hast, der sich um alles kümmert. Wenn dir eine Mille im Jahr übrig bleibt, dann denkst du vermutlich weniger darüber nach. Bei mir war das nicht so: Jedes Snowboard, das nicht mehr benutzt wurde, habe ich am Ende des Jahres verkauft. Das gehört zum Haushalten und Budget genauso dazu wie auch das Sponsoring. Genauso musst du deine Projekte planen und dich mittlerweile auch entsprechend auf den sozialen Medien verkaufen. Wenn ich auf meine Karriere zurückblicke, dann war ich auch noch eine Filmproduktionsfirma und ein Reisebüro. Ich hatte in Island ein spannendes Projekt mit einem guten Budget von einem Ausrüster und musste dort für zwei andere Athleten, die Crew und mich alles organisieren. In meinem Bereich bist du als Sportler selbständig und musst tatsächlich selbst und ständig arbeiten. Oft habe ich es in den letzten Jahren nicht geschafft, den Computer am Wochenende nicht aufzudrehen. Weil ich auch gut sein will. Wenn ich von einer Marketing-Managerin aus Schweden am Samstag eine Nachricht bekomme, dann will ich der auch gleich professionell antworten. Das hinterlässt einen Eindruck bei deinen Geschäftspartnern, und die freuen sich auch über diese Verlässlichkeit.Wenn man mehr will als die anderen, dann muss man auch mehr leisten.
Ich könnte mir vorstellen, dass es Sportler gibt, die viel jammern, aber dieses Prinzip noch nicht behirnt haben. Die Zeiten, in denen es reicht, sich ein Pickerl auf die Brust zu kleben, sind vorbei.
Der Weg ist sicher kein einfacher. Wenn du ganz oben bist, bist du vielleicht für viele interessant und kannst dir das erlauben; aber am Weg dorthin…
Als ich Student war, hab ich mir eine Bude mit dem Teammanager von – Deeluxe meinem Schuhausstatter – geteilt. Ist eine Firma aus Kufstein, die es schon ewig gibt – und der einzige Partner, der quasi seit Stunde eins durchgehend dabei ist. Nach der ISPO ist der immer mit einem Haufen Bewerbungsvideos von Athleten heimgekommen. Wir haben die durchgeschaut, und teilweise bist du abgebrochen vor lachen. Ein paar hatten da echt Videos ganz nach dem Motto: Ich bin cool – sponsor mich. Dann gab es aber auch mega Videos, wo du gemerkt hast, dass einer filmen kann, schneiden kann, richtig gut drauf ist und wo etwas dahinter ist. Ist natürlich eher die Minderheit.
Interview: Matthias Stelzmüller
Fotocredits: Flo Orley