Ein Kapitel in einem Leben und eine erfolgreiche Sportlerkarriere sind vor wenigen Wochen zu Ende gegangen. Unser Covermodell der ersten Ausgabe, Constantin „Coco“ Blaha, hängt sein Badehoserl und das weltberühmte Fetzerl endgültig an die Wand. Gemeinsam blicken wir mit Coco auf die Vergangenheit und in die Zukunft.
Mehr als zwei Jahre ist es jetzt her, dass du unsere Erstausgabe geschmückt hast…seitdem ist einiges passiert. Erzähl!
Die letzten zwei Jahre waren auf jeden Fall alles andere als langweilig. Meine zweite Teilnahme an Olympischen Spielen sticht da ganz besonders hervor. Nach Rio hatte ich allerdings einen kleinen Durchhänger, wodurch ich endlich mal Zeit hatte darüber nachzudenken, was ich in meinem Leben erreichen will und was die nächsten Schritte sein werden. Ich habe daraufhin beschlossen, dass die Weltmeisterschaft in Budapest der krönende Abschluss meiner Karriere sein soll – und die war mit einer Qualifikation für das Semifinale wirklich ein schöner Schlusspunkt.
Wie fühlt sich das an, wenn man da oben steht und genau weiß, dass das jetzt der allerletzte Sprung in einem Wettkampf auf diesem Niveau sein wird?
Ich habe Gänsehaut bekommen und gespürt, dass ich richtig emotional werde. Das war aber nicht erst im Semifinale der Fall, sondern schon im Vorkampf beim letzten Sprung, weil ich da ja noch nicht wusste, ob es sich nochmal ausgeht. Lange Rede kurzer Sinn: Es ist sich ausgegangen, und ich habe das Halbfinale dann einfach nur mehr genossen. Eine letzte richtige Gaudi mit all den Auf und Abs, die einem das Wasserspringen zu bieten hat. Einfach nur schön, vor allem weil auch richtig viele Freunde und Wegbegleiter zuschauen waren.
Irgendwo hatte ich aber auch eine gewisse Ruhe, weil ich da schon wusste, was die nächsten großen Schritte sein werden und dass mein Leben auf gut Englisch einen One-eighty machen wird.
Ich bin jetzt wahrscheinlich der Erste, der dich das fragt: Was machst du mit der Karriere danach? (lachend:) Wird noch was aus dir?
Ein-, zweimal musste ich die Geschichte schon erzählen (lacht). Ich habe mich für ein Masterstudium in den Staaten entschieden und zwar dort, wo auch meine Langzeitfreundin und seit Kurzem auch Verlobte lebt. Nachdem ich dort auf der Uni eine Zusage bekommen habe, wusste ich, dass ich diese Gelegenheit beim Schopf packen muss. In der Zwischenzeit werde ich mich für Internships bewerben, um mal die Weichen auf Karriere zu stellen. Mittlerweile kratze ich ja doch an den 30 Jahren und hatte noch keinen richtigen Job, wenn man den Sport nicht zählt…
Brauchst du ja auch nicht mehr, nachdem du bei uns am Cover warst…
Absolut. Die Ausgabe nehme ich jedenfalls zu jedem Bewerbungsgespräch mit. Spaß beiseite – ich bin schon richtig gespannt auf die kommende Zeit. Es ist aber auch sehr eigenartig, wenn ich jetzt die Wohnung zusammenräume, immer wieder kleine Erinnerungsstücke entdecke und an diese wilden Zeiten zurückdenke. Das ist natürlich emotional, wenn du weißt, dass es nie wieder so sein wird wie es die letzten Jahre war – und die waren ehrlich gesagt schon ziemlich cool!
Trainiert, alles gegeben und viel unterwegs gewesen. Natürlich war es auch sehr anstrengend -weshalb ich auch froh bin, dass sich das jetzt alles ein bisschen beruhigt und ich einen geregelteren Ablauf habe, ohne ständig irgendwo in der Weltgeschichte herumzureisen.
Wir werden bald sehen, wie es mir im seriösen Erwachsenenleben ergehen wird. Es wird sicher cool und ich werde bestimmt neue Interessen finden, die irgendwo in mir schlummern, und bestimmt auch neue Erfahrungen machen. Vor allem Dinge ausprobieren, für die früher keine Zeit war. Oder andere Sportarten ohne mich dabei anzuscheissen, weil ich mich verletzen könnte.
Dir wird nicht fad, und du weißt auf gut Deutsch, was du willst. Ich glaube, dass das größte Problem bei den Leuten ist, dass ihnen fad wird, wenn sie die Sportkarriere beenden. Man kann es natürlich entspannt angehen – aber Ziele braucht man. Gerade Sportler wollen ja immer etwas erreichen.
Mir war es schon sehr wichtig, zu wissen, was nach meiner Karriere passiert. Ein Plan war unerheblich. Wenn ich jetzt erst anfangen würde, mir Gedanken zu machen, wäre ich wahrscheinlich in eine Depression geschlittert. Da habe ich vorgebeugt, indem es jetzt gleich volley weitergeht. Ich muss schon die ersten Aufgaben für das College erledigen, obwohl es noch nicht mal begonnen hat. Auch hinter dem Schreibtisch zu lernen wird sicher wieder eine Umstellung. Da mich der Studiengang interessiert, freue ich mich schon drauf. Ich glaube, wenn ich die Energie investiere, die ich in den Sport gesteckt habe, kommt auch woanders etwas Erfolgreiches heraus.
Du schielst also schon auf das Cover des Forbes Magazins. (lachend)
Du bist ja noch nicht so alt, dass man sagen müsste, es wäre an der Zeit gewesen, aber dennoch kannst du ruhigen Gewissens sagen, die Karriere zur richtigen Zeit zu beenden, ohne etwas zu bereuen?
Natürlich habe ich überlegt, weiterzuspringen und auch die Olympischen Spiele in Tokio anzuvisieren. Von der Leistung her wäre es sicher noch möglich. Auf der anderen Seite dachte ich mir, dass man irgendwann den Zeitpunkt erkennen muss, an dem man sich anderen Dingen widmen sollte; und ich will nicht derjenige sein, der ewig den „glorreichen Jahren“ hinterherläuft und dieses Sportlerleben nie aufgeben will. Da glaube ich war jetzt einfach der richtige Zeitpunkt. Mir war auch wichtig, dass das meine freie Entscheidung sein wird und keine durch den Körper erzwungene. Ich habe alles gegeben, kann mir nichts vorwerfen und habe von meinem Sport sehr viel zurückbekommen. Die schönsten Momente meines Lebens hatte ich in meiner Karriere – und jetzt ist es an der Zeit, etwas anderes zu machen. Die nächsten Dinge warten schon.
Welche Lektion aus dem Sport wird dir für das Leben danach am meisten bringen?
Ein großer Mehrwert werden sicher die vielen Kontakte sein, die ich auf der ganzen Welt geknüpft habe. In einer Einzelsportart und als Einzelkämpfer in Österreich, wo du auch kein großes Team hinter dir hast, lernst du vor allem sehr viel über dich selbst. Darüber wie du dir Ziele steckst und diese angehst. Wie du deinen Plan durchziehst und letztendlich deine Ziele erreichst. Wie du mit Rückschlägen umgehst und dich motivierst. All die Dinge, die dazugehören, um eine gute Leistung zu erbringen. Das bringt dir der Sport sicher bei. So viele Emotionen und so viel Fokus und Hingabe auf nur sechs Sprünge zu legen ist ja eigentlich fast krank, wenn man objektiv darüber nachdenkt. Auf der anderen Seite weißt du aber, worauf es ankommt, wenn du in etwas wirklich richtig gut werden willst. Das Skillset, das du dir da im Sport aufbaust, hast du sicher ein Leben lang, auch wenn du es nicht in einem Zeugnis oder schwarz auf weiß hast.
Du hast so viele Situationen im Sport, in denen du auf dich gestellt bist und mit begrenzten Mitteln einen Ausweg finden musst.
Meine Karriere hat mich sicher auch angeregt, darüber nachzudenken, welche Dinge mir im Leben wichtig sind und worauf es mir ankommt. Dafür bin ich sehr dankbar und darüber reflektiere ich jetzt immer mehr. Da kapiert man erst langsam, was das alles für einen bedeutet und welchen Wert das Ganze hat. Da wird dir auch bewusst, was deine Legacy war und was du auch an andere weitergegeben hast. Diese Gedanken sind unglaublich spannend und beeindruckend. Was einem da durch den Kopf schießt, ist einfach nur irre. Alleine wie viele Leute letztendlich involviert waren. Familie, Trainer, Bademeister, andere Springer, Mentoren, Sponsoren…irgendwo hat jeder einen kleinen Anteil an meiner Karriere, und das ist sicher etwas sehr Schönes.
Hast du von deiner Karriere noch ein richtig lustiges Erlebnis in Erinnerung?
Viele. Off the records gibt es natürlich mehr als genug (lacht). Aber eines, von dem man offen sprechen kann: Wir sind einmal nach einer Abschlussfeier in Holland mit richtig vielen anderen Springern ins Hotel gekommen. Irgendeiner hatte die glorreiche Idee, dass wir versuchen sollten, aufs Dach zu kommen. Daraufhin haben wir uns zu zwanzig in den Lift gequetscht. Wir sind natürlich im Halbstock stecken geblieben, mit an Bord der Olympiasieger Ilya Zakharov, dazu viele andere Stars unserer Szene und natürlich mein Synchronpartner, der Fabi Brandl. Wir haben irgendwie die Tür aufgerissen und sind runtergesprungen. Die schlaueste Aktion war es nicht. Wäre der Lift weitergefahren, hätte es wahrscheinlich jemanden halbiert.
Russisches Roulette sozusagen?
Das auf jeden Fall – und die Russen waren sowieso dabei (lacht). Es gab dann fast noch eine Prügelei mit dem Sicherheitspersonal vom Hotel, aber solche Situationen passieren dann doch immer wieder. Vor allem beim letzten Wettkampf der Saison.
Jetzt war ja deine Karriere sehr lang und erfolgreich. Wieso wäre für dich Doping nie ein Thema gewesen?
Also erstmal kann ich von Glück reden, dass in meiner Sportart Doping kaum eine Rolle spielt und dadurch mehr oder weniger nie präsent war. Du kannst so stark sein wie du willst, wenn du im Wettkampf unkoordiniert bist: Es hilft einfach zu wenig. Ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, dass es niemand macht, aber im Vergleich zu reinen Ausdauer- und Kraftsportarten macht es definitiv nicht so einen Unterschied. Von dem her bin ich sehr glücklich, dass das in meiner Sportart kein Thema war, und ich bin mir ganz sicher, dass die meisten bei uns, auch die, die um Olympiamedaillen mitspringen sauber, sind.
Wärst du also jedenfalls gegen die Legalisierung von Doping in anderen Sportarten?
Doping zu legalisieren würde ausarten, weil einfach so viel Geld hinter der Sportindustrie steckt und damit auch die Sportler verheizt werden würden. Ohne Rücksicht auf Verluste. Soweit ich weiß, ist die Lebenserwartung bei einem Tour de France Fahrer nicht unbedingt das, was man sich wünschen würde. Die negativen Langzeitauswirkungen sind einfach immens. Es ist wirklich schlimm, wenn Sportler zu Doping greifen und damit ihr Leben auf’s Spiel setzen. Einmal in der Maschinerie, kommt man aus ihr nicht mehr raus und wird von ihr zermalmt.