Für die meisten dürfte Rugby nur eine Unbekannte mehr auf der österreichischen Sportlandkarte darstellen, und das obwohl der Sport auch hierzulande immer mehr Beliebtheit erfährt. Für Johannes Dachler spielt vor allem die soziale Komponente eine tragende Rolle, für die sie unter anderem mit dem World Rugby Award für Charakter ausgezeichnet wurden.

Du bist im Nationalteam – wie kommt man überhaupt zum Rugby?
Mein Turnlehrer war selbst Nationalteamspieler und hat unsere gesamte damalige „Bande“ mit dem Rugbyvirus angesteckt.

Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass Rugby einfach nur brutal ist. Was ist es auf den zweiten Blick?
Vor allem diszipliniert. Für das ungeschulte Auge wirkt es brutal, aber Rugby ist ein sehr stark und klar reglementierter Sport. Wer sich nicht an die Regeln hält, ist schneller draussen oder verletzt als man denkt.

Schneller verletzt wegen einem Revanchefoul?
Revanchefouls gibt es so gut wie gar nicht, weil man den Ärger ohnehin rauslassen kann. Man verletzt eher sich selbst, wenn man sich nicht an Technikvorgaben hält.

Es heißt, dass Rugby ein Sport für jedermann ist…was kann man sich darunter vorstellen?
Jeder Körpertyp ist im Rugby gefragt. Egal ob lang und dünn oder klein und dick. Auf den verschiedenen Positionen können diese Attribute optimal eingesetzt werden. Die Forwards sind dabei tendenziell eher größer und stärker und die Backs eher leichter, aber dafür schneller.
Im Profigeschäft verliert sich das ein bisschen. Da geht alles in Richtung 190 cm und über 100 kg schwer. Aber selbst auf dem Level gibt es Athleten, die nur 75 kg wiegen und 130 kg Maschinen gegenüber stehen.

Wie kann so jemand gegen einen 100+ Kilogramm Prügel bestehen?
Indem er so schnell ist, dass er ihn umlaufen kann.

Wie ist das Leistungsniveau in Österreich?
Man merkt, dass wir immer mehr Zuspruch bekommen und die Dichte höher wird. Allein bei uns im Verein haben wir rund 150 Kinder von der U8 bis zur U18 – das ist extrem leiwand. Ausserdem spielen die ersten von uns als Legionäre in der englischen Profiliga, in Südafrika oder Neuseeland. Da bewegt sich einiges, auch aufgrund des Trendsportzentrums im Prater, das uns bei der Jugendarbeit vorpreschen lässt. Auch Rugby USI Kurse gibt es mittlerweile im Angebot.

Wie gefällt dir das neue Olympische Sevens-Format?
Mein Sport ist es nicht, aber zum Zuschauen ist es extrem cool. Das Sevens ist eine unglaublich schnelle und dynamische Variante, in der Bombenathleten eingesetzt werden. Die taktische Raffinesse fehlt ein bisschen.

Was ist der wichtigste Skill, den man als Rugbyspieler mitbringen muss?
Einstecken können, aufstehen und weitermachen. Wichtiger noch als austeilen zu können.

Warum würdest du Eltern raten, ihre Kinder zum Rugby zu schicken?
Um zu lernen sich aufzuraffen, wenn man sinnbildlich am Boden liegt. Rugby ist für Jugendliche, die vielleicht ein bisschen aufgedrehter sind, ein genialer Sport, um Dampf abzulassen – und das in einem reglementierten und kontrollierten Umfeld. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Kids, die bei uns spielen und in der Schule verhaltensauffällig waren, danach viel ruhiger und besonnener geworden sind.

Du leitest außerdem ein Rugby-Projekt, bei dem Flüchtlingen geholfen wird?
Rugby Opens Boarders haben wir eigentlich schon vor der sogenannten „Flüchtlingskrise“ ins Leben gerufen und damit genau den Zahn der Zeit getroffen.  Sport ist nicht die einzige, aber eine sehr wichtige niederschwellige Integrationsmaßnahme, die vor allem ohne Druck stattfindet. Auch weil man sich physisch sehr nahe kommt ist Rugby ein optimaler Eisbrecher. Da werden schüchterne Burschen schnell selbständig. Wir schauen aber auch, dass auf der sprachlichen und sozialen Ebene etwas weitergeht. Unseren Spielern ist bewusst: Wer hier leben will, muss die Sprache lernen. Da merkt man, dass Rugby einen großen Beitrag dazu leistet und unsere Jungs und Mädels proaktiv ein Teil der österreichischen Kultur werden wollen.